Michael Schmidtke, Vice President Content Flow and Digital Channels bei Bosch über Content Flow, Virtual Influencer und datenorientierte Kommunikation bei Bosch

AG CommTech: Michael, Bosch ist in der Kommunikationsbranche für kreative Cases und Innovationspreise bekannt. Gib uns bitte einen Überblick: Wie seid ihr in der Kommunikation aufgestellt?

Michael Schmidtke: Wir sind grundsätzlich erst einmal nach Zielgruppen organisiert: Es gibt Teams für interne Kommunikation, Media Relations, digitale Kommunikation, Kunden- und Markenkommunikation und politische Kommunikation. Davon arbeitetet der eine Teil der Kolleginnen und Kollegen in Deutschland und der andere in den Regionen und Ländern. Die Grundlage für datenorientierte Kommunikation bildet dabei der so genannte Content Flow-Prozess – ein bereichsübergreifender Ablauf, in dem Content-Erstellung, Distribution, Analyse und Optimierung nahtlos ineinandergreifen.

AG CommTech: Ihr habt euch bewusst gegen ein klassisches Newsroom-Modell entschieden. Warum?

Michael Schmidtke: Weil wir Kommunikation als vernetzten Prozess begreifen. Wir trennen nicht streng zwischen Content und Kanal. Für uns zählen drei Komponenten: Technologie, Content und Analytics. Die bringen wir prozessual zusammen – bereichsübergreifend, effizient und praxisnah.

AG CommTech: Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei euch in der Kommunikationsabteilung?

Michael Schmidtke: Wir arbeiten seit 2017 mit KI – also lange vor ChatGPT und Co. Inzwischen haben wir ein bereichsübergreifendes Projekt gestartet, um systematisch zu prüfen, wo KI uns unterstützt. Besonders sichtbar wird das im visuellen Bereich: Beispielsweise mit Chatbots oder „Sparky“, einem virtuellen Influencer auf Instagram, testen wir neue Formate. KI hilft uns auch bei Content-Erstellung, Übersetzungen und Lokalisierung.

AG CommTech: Was kann man sich unter „Sparky“ vorstellen?

Michael Schmidtke: „Sparky“ ist eine animierte historische Zündkerze, die als virtueller Charakter auftritt. „Sparky“ interviewt Bosch-Expertinnen und Experten oder berichtet von Events wie der CES – etwa aus dem Inneren eines KI-Kühlschranks. Solche Projekte wären ohne KI in dieser Form nicht realisierbar. Besonders im Bewegtbildbereich, wo Kanäle permanent Output benötigen, um relevant zu bleiben, verschafft uns KI neue Spielräume – auch mit Blick auf die Internationalisierung.

AG CommTech: Ihr habt auch einen Chatbot für die interne Kommunikation im Einsatz?

Michael Schmidtke: Genau. „BeeGee“ – benannt nach unserem Bosch Global Net (BGN) – ist ein Chatbot, der über 10.000 Intranet-Editorinnen und Editoren unterstützt. Früher wurden Hotline-Anfragen gestellt oder Handbücher durchgeblättert. Heute liefert „BeeGee“ in Sekundenschnelle präzise Antworten. Die Zahl der Support-Tickets ist dadurch drastisch gesunken – ein echter Effizienzgewinn.

AG CommTech: Und bei der Medienanalyse – wie nutzt ihr dort KI?

Michael Schmidtke: Schon seit Jahren nutzen unsere Dienstleister klassische KI-Methoden, etwa zur halbautomatisierten Tonalitätsbewertung. Neu ist, dass wir selbst jetzt generative KI z.B. für die Unterstützung bei Lageberichten nutzen. Einzelne einfache Artikel etwa kann man mit Hilfe von KI schon ganz gut zusammenfassen lassen. Dabei bleibt die Prüfung durch den Menschen allerdings nach wie vor wichtig. Denn bei komplexeren Themenfeldern zeigen doch noch rasch die Grenzen der heutigen KI, wenn beispielsweise mehrere Beiträge zu einem Thema zu einer sinnvollen Zusammenfassung verdichtet werden sollen.

AG CommTech: Ist Media Analytics denn überhaupt noch zeitgemäß – oder reicht ein KI-gestütztes Management-Briefing?

Michael Schmidtke: Lageberichte gab’s schon vor KI. Der Unterschied ist: Jetzt haben wir ein zusätzliches Tool, um auf der bestehenden inhaltlichen Basis noch effizienter zu werden. Aber ohne saubere inhaltliche Datenbasis, klar definierte Prozesse und ein kritisches Team bringt das alles nichts. Nur weil Generative KI erste Textentwürfe liefert, ersetzt das nicht das menschliche Urteilsvermögen in komplexen Zusammenhängen. Wer glaubt, man kann der KI einfach freie Hand lassen, wird schnell enttäuscht.

AG CommTech: Was genau ist euer Content Flow?

Michael Schmidtke: Das ist unser bereichsübergreifender Prozess: Themen definieren, Content entwickeln, ausspielen, Wirkung messen, optimieren. Und das in enger Verzahnung von Analytics und Kreation. Wir evaluieren auf Output- und Outcome-Ebene – inklusive Zielgruppen- und Wirkungsanalysen. Das Ziel: datenbasierte Entscheidungsvorlagen. KI hilft uns dabei, effizienter zu werden – aber der Prozess kommt zuerst und bildet die entscheidende Grundlage.

AG CommTech: Wie verarbeitet ihr Echtzeitinformationen mithilfe von KI?

Michael Schmidtke: Ein Stichwort (Buzzword!), das uns beschäftigt, ist „agentische KI“. Wir experimentieren mit entsprechenden Modellen, bei denen spezialisierte KI-Agenten – zum Beispiel wie oben beschrieben zur Artikelsynopse – in Workflows zusammenarbeiten. Das läuft wie ein Doppelpass beim Fußball: Ein Agent fasst einzelne Artikel zusammen, der nächste verdichtet die Ergebnisse. Wichtig ist uns die Transparenz – jede Aktion der KI muss nachvollziehbar sein.

AG CommTech: Das klingt technisch anspruchsvoll. Wie befähigt ihr euer Team dazu?

Michael Schmidtke: Wir setzen auf hybride Rollen – also Spezialistinnen und Spezialisten an der Schnittstelle zwischen Kommunikation und Technologie. Ich glaube nicht, dass alle Kommunikatorinnen und Kommunikatoren künftig den „schwarzen Gürtel im Prompten“ brauchen. Wir bleiben kreative Content-Menschen. Aber wir brauchen Kolleginnen und Kollegen, die KI-Tools so ausrichten, dass sie speziell für unsere Kommunikationsanwendungen maximalen Mehrwert bieten.

AG CommTech: Und was rätst Du denen, 46 Prozent der Kommunikationsabteilungen, die noch nicht mal die Tonalität messen?

Michael Schmidtke:
Fangt bei den Grundlagen an. Versteht eure Zielgruppen, definiert eure Prozesse, strukturiert eure Daten. Erst wenn das sitzt, ergibt der Einsatz von KI Sinn. Sie ist das Sahnehäubchen – aber ohne solide Basis keine Wirkung. Wer so vorgeht, merkt unterwegs schon, wo KI unterstützen kann: effizienter, günstiger, skalierbarer. Aber nicht Technik zuerst – Zielgruppe zuerst.



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