- 3. Dezember 2024
- Veröffentlicht durch: Die Redaktion
- Kategorie: BEST PRACTICES
Im Interview mit Benjamin Lampe, Senior Director, Communications, EMEA bei Microsoft mit Sitz in München.
Wann wird die KI die Kommunikation auf den Kopf stellen?
Als Senior Director Communications leitet Benjamin die Kommunikation für Microsoft in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. In seiner Rolle arbeitet er eng mit den Kollegeninnen und Kollegen in den verschiedenen Regionen sowie am Hauptsitz von Microsoft in Redmond, Washington, zusammen. Ben führt sein internationales Team aus München und fokussiert sich primär auf die Themenfelder Unternehmensreputation und wirkungsvolles Storytelling. In über 20 Jahren in der Branche hat Benjamin viel Erfahrung in internationalen Kommunikationsumgebungen gesammelt. Vor seiner Zeit bei Microsoft war er Kommunikationsdirektor für Nokia in Europa,mit einem Fokus auf Consumer- und Changekommunikation.
AG CommTech: Auf welche Weise transformiert künstliche Intelligenz bereits jetzt die Arbeit von Kommunikationsabteilungen?
Benjamin: “Erst allmählich und dann ganz plötzlich” wie Hemingway sagen würde. Schon heute automatisiert KI viele Routineaufgaben, wie das Erstellen von Reportings, Meetings Notes, Übersetzungen und Briefings, was uns Fachleuten mehr Zeit für kreative und strategische Aufgaben lässt. So ermöglicht es unsere KI Lösung Copilot Mitarbeitenden fast 4x schneller Meetings, an denen man nicht teilnehmen konnte aufzuholen. Mit unserer Zentrale in einer anderen Zeitzone habe ich das sehr schnell zu schätzen gelernt.
AG CommTech: Wird KI den Kommunikationsprofi auf absehbare Zeit ersetzen?
Benjamin: Sehr unwahrscheinlich. Ich denke Kommunikationsprofis werden ersetzt durch Kommunikationsprofis, die dank KI den eigenen Fokus und die eigene Zeit des Teams noch wirkungsvoller einsetzen werden. Sie wird die Effizienz und Effektivität der Arbeit steigern. KI kann repetitive Aufgaben übernehmen und Datenanalysen durchführen, aber die menschliche Kreativität, das strategische Denken und auch die menschliche Verbindung bleiben unverzichtbar. Deswegen heist unsere Lösung ja auch Copilot, nicht Autopilot.
AG CommTech: Ist KI einfach nur ein neues Werkzeug in der Toolbox?
Benjamin: Künstliche Intelligenz stellt eine neue Dimension der Arbeit dar, die die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend verändert. Ähnlich wie damals die Arbeit aus dem Homeoffice dafür gesorgt hat, dass nicht mehr alle Mitarbeitenden jeden Tag ins Büro kommen müssen, wird KI unser Verständnis von Arbeit bedeutend ändern. KI integriert sich in verschiedene Arbeitsprozesse und ermöglicht es, Aufgaben auf eine Weise zu erledigen, die vorher nicht möglich war. Heute sind Zeit und Aufmerksamkeit stark begrenzt. Da bietet uns künstliche Intelligenz neue Möglichkeiten für Innovation und Effizienzsteigerung, die weit über die traditionellen Werkzeuge hinausgehen.
AG CommTech: Wie nutzt man KI für Kreativität?
Benjamin: Ein Sprichwort unter Kommunikatoren sagt: “Gott segnet all die, die den ersten Draft schreiben”, denn der erste Aufschlag kostet oft viel Energie und Herzblut. Jetzt kann uns KI helfen diesen ersten Draft zu erstellen. Viele Menschen öffnen “Word” und schliessen es dann schnell wieder aus Angst vor der weißen Seite. Nun haben wir direkt im Tool ein Prompt-Fenster was mich fragt worüber ich schreiben möchte und mir dann Vorschläge macht. Je genauer ich das formulieren kann, desto besser wird der erste Entwurf. Diesen kann ich ausbauen und verändern. KI kann auch Vorschläge machen zu Kampagnen oder kommunikativen Ansätzen.
AG CommTech: Wie nutzt Microsoft KI in der Kommunikation?
Benjamin: Microsoft nutzt KI in der Kommunikation auf vielfältige Weise.
Wir haben zum Beispiel einen Copilot im Browser, der uns als Assistent hilft, Informationen zu finden und zusammenzufassen. Zusätzlich noch M365 Copilot, um tägliche Workflows zu unterstützen für Anwendungen wie Word, Powerpoint, Excel und Email. Diese Produkte sind so auch für anderen Unternehmen verfügbar und richtig eingesetzt schon eine große Hilfe. Darüber hinaus haben wir den Communications Copilot, der nur den Mitarbeitenden der Kommunikationsabteilung von Microsoft zur Verfügung steht und in house gebaut wurde. Hier können wir experimentieren und neue Sachen testen. Dann hahen wir noch eine Kooperation mit einem externen Dienstleister, der unsere KI für die Erfolgsmessung und Medienanalyse nutzt und erst vor einem Monat haben wir so genannte Agenten ausgerollt, die alle Disziplinen verknüpfen können.
AG CommTech: Welchen Rat würdest du Kommunikationsprofis geben, die gerade erst anfangen, den Einsatz von KI in ihrer Arbeit zu erkunden?
Benjamin: Der CommTech Index Report 20204/2025 sieht, dass 75% der Kommunikationsverantwortlichen mehr in KI wie zum Beispiel Copilot investieren wollen. Interesse besteht also durchaus. Kommunikationsprofis, die gerade erst anfangen KI zu erkunden, sollten sich nicht scheuen, zu experimentieren und neue Tools auszuprobieren. Zudem sollten sie sich darauf konzentrieren, wie KI ihre spezifischen Arbeitsprozesse verbessern kann. Das kann man dann weiter ausbauen. Der Schlüssel liegt darin, KI als Partner zu sehen, der die eigene Arbeit unterstützt und ergänzt. Wie bei allem anderen auch ist Weiterbildung unerlässlich, um auf der Höhe der Technik zu bleiben. Das braucht auch eine gewisse Neugier.
AG CommTech: Erst Copilot und jetzt spricht jeder von Agenten. Wie muss man sich das vorstellen?
Benjamin: Der Begriff “Agenten” bezieht sich auf fortschrittlichere KI-Systeme, die in der Lage sind, komplexere Aufgaben autonom zu erledigen. Während der Copilot mich persönlich produktiver macht, so arbeitet ein Agent im Namen des Unternehmens und macht Prozesse produktiver. Jeden Montag sende ich zum Beispiel einen Newsletter, den “Monday EMEA Espresso” an wichtige Stakeholder und die Kommunikationsteams. Da stecken bis zu 25-30 Arbeitsstunden des Teams drin. In weniger als 5 Minuten habe ich mir nun einen eigenen Agent gebaut, der mir einen Introtext vorschlägt. Alles was er braucht ist einen Link oder Themenvorschlag. Trainiert habe ich ihn mit vorherigen Intros und die Regeln dazu hat der Agent selbst extrahiert. KI heißt also nicht, dass es kompliziert sein muss. Es wird immer einfacher. Seit neuestem haben wir sogar einen Agenten, der mir Verbesserungsvorschläge für meine Prompts macht.