Interview mit Prof. Dr. Ulrich Bihler – KI in der Medienanalyse

Prof. Dr. Ulrich Bihler ist Honorarprofessor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim und Strategy Advisor/Data Analyst im Communications Corporate Content House der Audi Kommunikation. Zudem ist er freiberuflich im Praxis-Beirat der Österreichischen Gesellschaft für Kommunikation und Reputation tätig. Im Interview mit der AG CommTech spricht er über KI in der Medienanalyse.

AG CommTech: Nur 20% der Kommunikationsverantwortlichen setzen auf KI in der Medien-Analyse. Warum sollten es alle tun?

Ulrich Bihler: Wer Unternehmenskommunikation künftig erfolgreich steuern will, kommt meines Erachtens gar nicht an Medienanalysen und der KI vorbei. Es gibt eine Fülle von Argumenten, aber das Wichtigste pro KI-Medienanalyse ist für mich: Unternehmen müssen künftig noch effizienter kommunizieren, noch mehr Qualität dabei generieren, um das alles entscheidende Ziel zu erreichen: nicht nur maximale Aufmerksamkeit, sondern auch maximal mögliche Kommunikationswirkung bei den Stakeholdern. Kommunikationswirkung ist m.E. künftig der entscheidende Marker, woran sich bemisst, ob die Kommunikation erfolgreich ist oder nicht. All das ist ausschließlich mit KI(-Medienanalysen) mess-, leist- und machbar!

AG CommTech: Wo kommt KI in der Medienanalyse konkret zum Einsatz?

Ulrich Bihler: Wir sind schon unterwegs, aber stecken doch noch in den Kinderschuhen: Zum Beispiel bringen automatisierte Inhaltsanalysen Trends, Stimmungen und Meinungen zu Tage. Falsche oder irreführende Informationen in den Medien lassen sich mit KI bereits einigermaßen identifizieren. Und KI verbessert bereits in einigen Unternehmen die Medieninhalte durch automatisierte Analysen von Benutzerfeedback und Engagement-Daten. Was grundsätzlich gut ist: Immer mehr experimentieren damit.

AG CommTech: KI entwickelt sich sehr dynamisch, was sind die erwartbaren künftigen Fähigkeiten im Bereich der Medienanalyse?

Ulrich Bihler: Das ist ganz klar der Blick in die Glaskugel. Allerdings sind einige bestimmte Entwicklungen absehbar: Fortschritte in der Sprachverarbeitung und im maschinellen Sehen werden es KI-Systemen ermöglichen, Inhalte genauer zu analysieren. Dies schließt eine tiefere Erkennung von Themen, Stimmungen und Trends in Text-, Bild- und Videoinhalten ein. Außerdem wird KI zunehmend in der Lage sein, Medieninhalte basierend auf individuellen Präferenzen und Verhaltensmustern der Nutzer zu kuratieren und zu personalisieren – und auch zu analysieren. Die Fähigkeit, große Datenmengen in Echtzeit zu analysieren, wird voraussichtlich verbessert. Dies könnte die Medienanalyse revolutionieren, indem schneller auf Ereignisse reagiert und tiefere Einblicke in laufende Geschehnisse geboten werden. Und: KI könnte die Entwicklung von interaktiveren und immersiven Medienformaten wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) vorantreiben, wobei Inhalte dynamisch auf die Interaktionen der Benutzer reagieren. Das wird dann ein völlig neues Level von immersiven KI-Medienanalysen mit sich bringen.

AG CommTech: Welche Best Practices gibt es bereits?

Ulrich Bihler: Benchmark aus meiner Sicht ist derzeit, was Richard Tigges und Florian Müller bei Audi zusammen mit Aitastic planen. Oder aber Judith Sütherlin bei der Pkw-Marke Volkswagen! In beiden Fällen ist KI sehr tief und sehr strukturiert mit vielen neuen Erkenntnismöglichkeiten in die Medienanalysen und die Themensteuerung integriert. Das ist mindestens m.E. Europa League in der KI-Medienanalyse für große Unternehmen. Oder aber was das deutsche Startup Agents.inc aus Berlin z.B. mit dem brasilianischen Multikonzern Petrobas macht: Global News Radar Agent, Media Seismograph Agent, Stakeholder Mapping Agent oder EU Policy Watch AI Agent sind nur einige sehr spannende Anwendungsszenarien. Für mittlere Unternehmen gibt es schon sehr gute Lösungen zum Beispiel vom IMWF Institut in Hamburg, das mit KI mehr als 438 Millionen Datenquellen auswertet.

AG CommTech: KI in der Medienanalyse nur für die großen Unternehmen machbar? Was tun die kleineren Organisationen?

Ulrich Bihler: Die Nutzung von KI in der Medienanalyse ist nicht ausschließlich großen Unternehmen vorbehalten. Es gibt verschiedene Wege, wie auch kleinere Organisationen von KI in diesem Bereich profitieren können: Zahlreiche KI-basierte Tools und Plattformen können bei der Analyse von Medientrends, Verbraucherverhalten und anderen relevanten Daten helfen. Viele dieser Tools sind kostengünstig oder bieten flexible Preismodelle an. Durch Outsourcing oder Partnerschaften können kleinere Unternehmen Zugang zu fortschrittlichen Analysewerkzeugen und Expertise erhalten. Oder aber: Statt umfangreiche und komplexe KI-Systeme zu implementieren, können kleinere Organisationen sich auf spezifische, für ihre B2B- oder B2C-Kommunikation relevante KI-Anwendungen konzentrieren. Beispielsweise kann der Einsatz von KI zur Optimierung von Social-Media-Strategien besonders effektiv sein.

AG CommTech: Was ist Unternehmen zu raten, die sich mit dem Thema intensiver auseinandersetzen wollen?

Ulrich Bihler: Neugierig sein, einfach machen und ausprobieren, ist ein wichtiger Grundsatz. Dabei sollten allerdings Unternehmen schon klar definieren, was sie mit dem Einsatz von KI in der Medienanalyse erreichen wollen. Klare Ziele helfen, die richtigen KI-Tools und -Strategien auszuwählen und trotzdem den wichtigen Trial and Error nicht zu vernachlässigen. Das geht einher mit dem zweiten wichtigen Grundsatz: Anstatt sofort in großem Umfang zu planen und zu investieren, können kleinere Pilotprojekte hilfreich sein. Sie ermöglichen es, Erfahrungen zu sammeln und den KI-Nutzen für die eigene Unternehmenskommunikation und deren Medienanalysen zu bewerten.



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