Das Zeitalter des Dialogs in der Kommunikation hat begonnen

Datenbasierte Stakeholder-Journeys für die Unternehmenskommunikation

Ein wesentlicher Gedanke von CommTech ist die Adaption der Customer Journey in Form einer Stakeholder Journey auf die Unternehmenskommunikation. Wer sich mit dem Gedanken beschäftigt, wird sich anschließend erstaunt fragen, warum die Kommunikation bislang flächendeckend versäumt, über die Stufe der „Aufmerksamkeit“ hinaus einen kontinuierlichen Dialog mit individuellen Stakeholdern zu pflegen, in dem schließlich die Stufe „Verbundenheit“ erreicht wird. Stattdessen stehen die allermeisten Kommunikationsfunktionen immer noch ununterbrochen auf der Sendetaste, von Dialog keine Spur. Wibke Kroll, Masterandin am Lehrstuhl für Strategisches Kommunikationsmanagement der Universität Leipzig hat in ihrer Masterarbeit einen Rahmen für datenbasierte Stakeholder Journeys in der Unternehmenskommunikation erarbeitet und damit Pionierarbeit geleistet. Die Ergebnisse ihrer Arbeit hat sie unlängst in einem AG CommTech Webinar vorgestellt. Wer sich die Vorstellung anschauen möchte (45 Min), findet sie hier. Zudem steht ebenfalls das Slide-Deck zur Verfügung. 

Ausgangspunkt der Überlegungen ist das Bedürfnis nach personalisierter dialogischer Kommunikation, das im Marketing inzwischen Standard ist und durch die Messbarkeit der Wertschöpfungsbeitrag belegt wird. Was für die Conversion zum „treuen Kunden“ über die Stufen Aufmerksamkeit, Interesse, Wirkung und Verbundenheit richtig ist und nachweisbar funktioniert, kann für die Conversion von Stakeholdern nicht falsch sein. Was die Stakeholder Journey aber eigentlich ist, bedarf aber einer Definition, die uns Wibke Kroll so anbietet:

Die datenbasierte Stakeholder-Journey beschreibt, wann und wie der Akteur einer Stakeholder-Gruppe anhand einzelner kommunikativer Touchpoints mit den Unternehmensbotschaften des spezifischen Unternehmens bzw. mit dem Unternehmen selbst in Berührung kommt.

Die Touchpoints sowie der Verlauf der Journey werden auf Grundlage von festgelegten KPIs und einzelner Daten aus internen und externen Informationsquellen im Rahmen eines Datenverarbeitungsprozesses gemessen und analysiert. In ihrem Modell unterscheidet Wibke Kroll vier Stufen, nämlich „(Erst)-Kontakt“, „Verarbeitung & Bewertung“, „(Inter)-Aktion“ und schließlich „Kooperation“. Die AG CommTech hatte die Stufen – wie oben bereits eingeführt – Aufmerksamkeit, Interesse, Wirkung und Verbundenheit in ihrem Modell zugrunde gelegt.[1] Es gibt gute Gründe, für die Stufen der Stakeholder Journey wohlbedachte Bezeichnungen zu wählen. Wibke hat in ihrer Arbeit die Stakeholder Journey für Mitarbeitende und Journalisten exemplarisch verprobt und diese Journey mit zwei Fokusgruppen, bestehend aus Kommunikator*innen aus der internen und externen Unternehmenskommunikation einem Praxistest unterzogen. In den Fokusgruppen wurde ein starkes Störgefühl gegen den Begriff „Verbundenheit“ artikuliert, weil es insbesondere bei Journalisten auf starke Ablehnung stoßen könnte. Zudem ist „Verbundenheit“ nicht in allen Stakeholder-Journeys das erklärte Kommunikationsziel und „Verbundenheit“ wird vermutlich auch nur bei mehrmaligem Durchlaufen der Journey erreicht. Die Diskussion über die richtige Begrifflichkeit ist durch die Masterarbeit noch einmal angestoßen worden und verdient Beachtung. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass bei allen unterschiedlichen Bezeichnungen der Stufen [2] die Mechanik stets dieselbe bleibt, nämlich den Stakeholder über „Call-to-Actions“ (CTAs) von einer Stufe in die nächste zu bringen und diesen Conversions-Erfolg zu messen.

Richtigerweise startet die Stakeholder Journey mit der Entwicklung von Personas, der relevanten Stakeholder Personas, um u.a. ein exaktes Bild von Kommunikationsbedürfnissen und präferierten Kanälen zu bekommen. Zugleich sind die Kommunikationsziele aus den Geschäftszielen abzuleiten. Daraus wird schon deutlich, die Stakeholder Journey ist primär für die Kommunikation großer strategischer Themen oder in Kampagnen anwendbar. Als „Denkmodell“ kann sie aber auch in der ganzen Breite von Kommunikationsaufgaben Anwendung finden, wie Wibke Kroll in den Fokusgruppen-Interviews mit Kommunikationspraktiker*innen herausgearbeitet hat.

Eine wichtige Erkenntnis liefert uns die Feststellung, dass die Stakeholder Journeys nicht linear ablaufen. Es kann also Schleifen geben; die Journey kann abgebrochen werden und Journeys können je nach Thema einen anderen Status haben. Zugleich hilft eine systematische begleitende Auswertung der erhobenen Daten, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die etwa einen Abbruch der Journey verhindern könnten.

Bei den Touchpoints wird unterschieden nach unternehmenseigenen Touchpoints und externen Touchpoints, die ein unterschiedliches Set an Kennzahlen liefern, um die Journey zu steuern und über KPIs den Erfolg zu messen. Besondere Aufmerksamkeit widmet Wibke Kroll dem Datenverarbeitungsprozess, der in ihrem Modell liebevoll ausdifferenziert ist und daran erinnert, dass es mit dem Sammeln von Daten nicht getan ist. Erst actionable Insights und daraus folgende Handlungen liefern Ergebnisse.

Der praktische Wert der Masterarbeit ergibt sich nicht zuletzt aus den konkreten Handlungsempfehlungen, die Wibke Kroll im Webinar der AG CommTech aus der Arbeit destilliert hat und in der Abbildung 2 nachzulesen sind.

Als Ceterum Censio ist auf Punkt 4, nämlich den Aufbau einer Daten-Kompetenz, hinzuweisen. Daran werden Kommunikations-Funktionen nicht vorbeikommen und müssen je nach Abteilungsgröße und Struktur ihre „Data-Literacy“ entwickeln, die sinnvollerweise definiert, wer im Team über welches Kompetenz-Level verfügten soll.

Wibke Kroll hat mir ihrer Arbeit vielleicht eine Initial-Zündung gegeben, die dazu beitragen kann, dass Kommunikation den verlorenen Anschluss an die Fähigkeiten von Marketing, aufholt. Jedenfalls ist ein Startpunkt gesetzt. Wie sagte einst Friedrich Dürrenmatt: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“ [3]

Autor: Thomas Mickeleit
Thomas Mickeleit ist Leiter der AG CommTech, Gründer von KommunikationNeuDenken! und Herausgeber und Autor des kürzlich erschienenen Fachbuchs „Erfolgsfaktor CommTech: Die digitale Transformation der Unternehmenskommunikation“


[1] Mickeleit et al, in Erfolgsfaktor CommTech, Die digitale Transformation der Unternehmenskommunikation, Springer-Gabler, 2023, S. 69-96

[2] Auch die GPRA hat bereits 2021 ein Modell vorgestellt, dass die Stufen Aufmerksamkeit, Interesse, Wirkung, Verbundenheit und Fürsprache unterscheidet. Die Arthur Page Society unterscheidet zwischen Awareness, Interest, Impact und Support.

[3] Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/127144-friedrich-durrenmatt-was-einmal-gedacht-wurde-kann-nicht-mehr-zuruckge/



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