Interview mit Eckhard Klockhaus: Künstliche Intelligenz mischt den Newsroom auf

Eckhard Klockhaus ist Gründer und CEO von Imory. Im Gespräch mit Thomas Mickeleit stellt er NewsroomGPT, das erste Lighthouse-Projekt von Imory, vor und geht auf die Unterschiede zu ChatGPT ein.

Thomas Mickeleit: Eckhard, vielen Dank für Deine Bereitschaft, mit uns über die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz im Newsroom zu sprechen. Seitdem ChatGPT im November 2022 gelauncht wurde, haben auch wir in der Kommunikation – endlich – bemerkt, dass Technologien sehr laut an unsere Tür klopfen. Was ist Deine Einschätzung dazu? Wie laut klopft es?

Eckhard Klockhaus: Ich glaube nicht, dass KI noch an die Tür klopft. Sie steht schon im Flur. Die Auswirkungen von KI in der Kommunikation werden viel größer sein, als sich die meisten Menschen das aktuell vorstellen können. Das, was wir gerade mit ChatGPT erleben, ist nur die erste kleine technische Umsetzung von dem, was Sprachmodelle ermöglichen. Im Moment wird viel darüber gesprochen, ob wir die Texterstellung mit ChatGPT automatisieren können. Die meisten Menschen verstehen ChatGPT wie einen Schreibroboter oder ein Nachschlagewerk; dabei haben wir es hier mit einer Innovation in der Informatik zu tun, wie ich sie in den letzten 30 Jahren vorher nicht erlebt habe. Einzelne Einsetzszenarien reichen von der Inhalte-Prüfung, Transkribierungen, Übersetzungen, neue Formen der Daten-Analyse bis zum automatischen Einsatz von Plausibilitätsprüfungen. Für mich steht fest, dass die Medienwelt durch Sprachmodelle in naher Zukunft eine Neue sein wird. Wir werden schon bald Lösungen sehen, die ganze Medienformate mit KI planen, erstellen und ausspielen. Die KI wird unsere Medienwelt verändern. Für die Rezipienten und für die Medienschaffenden.

Thomas Mickeleit: Vor ein paar Monaten hat Imory demonstriert, wie die Arbeit im Newsroom mit Hilfe von KI, namentlich ChatGPT, aufgemischt werden kann. Für alle, die das nicht genau auf dem Schirm haben – was leistet NewsroomGPT, so heißt die Lösung, in seiner Essenz?

Eckhard Klockhaus: NewsroomGPT ist unser erstes Lighthouse-Projekt. Es geht im Kern darum, die themenzentrische Arbeit des Newsrooms mit KI abzubilden. NewsroomGPT basiert auf der gleichen Technologie wie ChatGPT. Aber es ist kein Chatbot. NewsroomGPT übernimmt die Aufgabe, aus der Sachebene einer Themenbeschreibung die Veröffentlichungen in unterschiedlichen Formaten für alle Kanäle mit den entsprechenden Tonalitäten zu erstellen.

Beispiel: Erstellung eines Facebook-Posts aus Basis der Kernbotschaft
Beispiel: Erstellung eines LinkedIn-Posts auf Basis der Kernbotschaft

Thomas Mickeleit: Mit dem richtigen Prompt liefert auch ChatGPT unterschiedliche Formate aus einem Basistext. Was unterscheidet NewsroomGPT von der nativen Anwendung?

Eckhard Klockhaus: Wir haben mit NewsroomGPT das Sprachmodell von dem Informationsmodell getrennt. Das hört sich erst einmal sehr technisch an. Es geht darum, das Unternehmen ihre Wissensdaten als Grundlage der Inhalte-Erstellung nutzen können. NewsroomGPT lernt aus den individuellen Daten der einzelnen Unternehmen. Während ChatGPT ausschließlich auf die allgemeinen – und nebenbei veralteten – Daten zugreift, ist NewsroomGPT in der Lage die Informationen des eigenen Unternehmens einzubinden. Wir können in ChatGPT mit einem Prompt recht spezifische Vorgaben zur Anforderung, zum Format und zur Tonalität geben, aber wir können keinen direkten Einfluss auf das Informationsmodell nehmen. Stell dir vor, die KI kennt alle deine Presseinformationen, deine Posts, deine Dokumente und deine Sprachregelungen. Das lässt sich nicht in Prompts abbilden.

Thomas Mickeleit: Etliche Unternehmen untersagen die Nutzung von ChatGPT, weil sie zurecht befürchten, dass vertrauliche Daten auf den Servern von OpenAI landen und das System damit trainiert wird. Was ist die Lösung für dieses Problem?

Eckhard Klockhaus: Aus diesem Grund war es uns so wichtig, mit NewsroomGPT die erste Anwendung mit dem Sprachmodell von GPT in der europäischen Cloud bereit zu stellen. Ich kann Unternehmen gut erstehen, die ihren Mitarbeitenden untersagen, das Informationsmodell mit Interna zu füttern.

Thomas Mickeleit: NewsroomGPT befindet sich in einer Beta-Version und steht derzeit kostenlos zur Verfügung. Wie ist das Feedback der Nutzer?

Eckhard Klockhaus: Wie bereits gesagt, NewsroomGPT ist ein Showcase; unser Lighthouse Projekt. Wir stellen den Zugang kostenlos zur Verfügung und haben sehr gute Userzahlen. Aktuell arbeiten wir mit ersten Pilot-Unternehmen daran, viele Funktionen in unseren ganzheitlichen digitalen Newsroom Imory zu integrieren. Das Feedback der Nutzer ist gut. Es gibt neben den bestehenden Funktionen der themenzentrischen Arbeit zwei Prioritäten. Erstens muss die Lösung teamfähig sein; es geht nicht darum, dass der oder die einzelne tolle Prompts erstellt, sondern wir brauchen eine Lösung, die reproduzierbar und skalierbar ist. Zweitens darf die Lösung nicht vergessen, was sie bereits gemacht hat. Alle Inhalte, die mit KI erstellt werden, können so unter Berücksichtigung zu vorigen Inhalten erstellt und nach Plausibilität geprüft werden.

Thomas Mickeleit: Die offenen Schnittstellen (APIs) zu ChatGPT haben Entwickler beflügelt, gefühlt Millionen von Anwendungen zu schreiben. In der Kommunikation gibt es weiterhin zahllose undokumentierte analoge Prozesse, die darauf warten, digitalisiert zu werden. Bringen uns die LLMs die Erlösung?

Eckhard Klockhaus: Die kurze Antwort ist ja. Aber wir sollten hier ein bisschen weiter in die Technik einsteigen. Die meisten aktuellen Entwicklungen beruhen nach unseren Recherchen darauf, Abläufe durch codierte Prompts zu automatisieren. Solche Lösungen sind schnell erstellt, aber sie kratzen nur an der Oberfläche von dem, was möglich ist. Die großen Schritte entstehen, wenn die Technik von ChatGPT in der eigenen Cloud-Umgebung eingesetzt wird und wenn Unternehmen ihr Datenmodell einbinden. Ein weiterer Aspekt ist auch hier die Frage der europäischen Cloud. Ich würde Unternehmen in Europa nicht dazu raten, die OpenAI-Dienste aus Amerika für die Entwicklung zu nutzen, die auf unternehmensinterne Daten zugreift. GPT in der europäischen Cloud ist bereits verfügbar. Aber es ist, wie so oft in der Softwareentwicklung. Die schnellen Lösungen haben ihre Grenzen.



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