Interview mit Nikola Gardeweg und Maren Lübbecke: Der Newsroom ist unser Digitalisierungsmotor

Nikola Gardeweg ist seit dreieinhalb Jahren bei Swiss Life und seit November 2022 Co-Chefin vom Dienst des Swiss Life-Newsrooms. Darüber hinaus kümmert sie sich neben dem Newsroom um sämtliche Kommunikationsthemen, die Kultur, HR und Change-Projekte betreffen und die Social Media-Kommunikation des CEOs. Maren Lübbecke ist seit viereinhalb Jahren bei Swiss Life. Seit April letzten Jahres ist sie Co-Chefin vom Dienst. Neben der CvD Rolle hat sie die fachliche Führung im Social-Media-Team, dass auch zum Kernteam des Newsrooms zählt.

Thomas Mickeleit: Vielen Dank für die Bereitschaft, ein Gespräch über eure Rolle als Chefinnen vom Dienst der Swiss Life Newsrooms zu führen. Newsrooms werden typischerweise aus der Kommunikation heraus konzipiert. Ihr seid nun bei Swiss Life einen ganz anderen Weg gegangen. Euer Newsroom wird partnerschaftlich aus Marketing und Kommunikation heraus gemeinsam bedient und geführt. Und ihr beide repräsentiert als CvDs Eure Funktionen „Kommunikation“bzw. „Marketing“. Was uns jetzt hier interessiert, ist Wie seid ihr eigentlich dahin gekommen? Was war der leitende Gedanke dabei? Und auch Welche Vorteile seht ihr in so einem Konstrukt?

Nikola Gardeweg: Wir hatten 2015 erste Überlegungen, einen Newsroom bei uns einzuführen. Dazu muss man wissen, dass unser Bereich Marketing und Kommunikation mit sechs verschiedenen Abteilungen eine komplexe Struktur bildet, die in den Newsroom zu integrieren war. Uns war die Botschaft wichtig: Wir finden einen gemeinsamen Weg, Kommunikationsprozesse besser zu verzahnen und von der jeweiligen Expertise der Disziplinen insgesamt zu profitieren. Eine integrierte Themenplanung musste her, um zu verhindern, dass Projekte unwissend voneinander parallel bearbeitet oder unterschiedliche Kommunikationsbotschaften an die gleiche Zielgruppe ausgespielt werden. Die Herausforderung war sogar noch größer, denn unsere Versicherung in München und die Finanzberatung in Hannover sind zwei räumlich und vom Geschäftsmodell her unterschiedliche Unternehmensteile. Das war ein Prozess, der über die Jahre vom Nebeneinander zum Mit- und Füreinander führte.

Thomas Mickeleit: Maren, schon der Begriff Newsroom ist ja schon für manchen Marketier ein Reizwort. Für dich aber nicht?

Maren Lübbecke: Ich merke, dass der Begriff immer noch Fragezeichen erzeugt. Also vor allem, wenn man mit Kolleginnen und Kollegen außerhalb der Bereiche Marketing und Kommunikation zu tun hat. Der Newsroom ist erklärungsbedürftig, ich bin aber nicht voreingenommen gegenüber dem Begriff, der seine Historie hat. Das gilt im Übrigen auch für den Begriff „CvD“,worunter sich viele nichts vorstellen können. Es gibt uns aber die Chance, die redaktionellen Prozesse zu erklären und dann kommt das Konzept auch immer sehr gut an.

Thomas Mickeleit: Wie funktioniert Eure Doppelspitze jetzt in der alltäglichen praktischen Arbeit?

Maren Lübbecke: Wir denken die Dinge übergeordnet und verzahnt, haben die operativen Entscheidungen aber aus praktischen Gründen gut aufgeteilt, einerseits nach den Geschäftseinheiten „Versicherung“ und „Finanzberatung“ sowie andererseits nach den Disziplinen „Marketing“ und „Kommunikation“. So verlieren wir keine Geschwindigkeit, sind aber trotzdem informiert über das gesamte Geschehen. Wo erforderlich, treffen wir Entscheidungen gemeinsam, das gilt vor allem für strategische Entscheidungen.

Nikola Gardeweg: Das funktioniert sehr gut. Wir ticken da beide sehr ähnlich und wissen, wann man den jeweils anderen in welcher Weise abholt. Das kann ein kurzer Chat sein oder man nimmt den Hörer in die Hand.

Thomas Mickeleit: Marketing und Kommunikation arbeiten in anderen Planungshorizonten, mit anderen Zielen, mit anderen Mechaniken. Was sind Erfolgsfaktoren, damit so ein Konstrukt jetzt auch unter diesen Gesichtspunkten funktioniert?

Nikola Gardeweg: Ja, die Ziele sind unterschiedlich. Darin liegt aber der Vorteil. Ich finde es extrem wertvoll, aus der Kommunikations-Brille heraus zu erfahren, wie Marketing-Kampagnen aufgesetzt werden, dass wir uns etwas abschauen und auch viel lernen können. Und ich glaube, umgekehrt ist es ebenso. Die andere Seite mitdenken und in die eigenen Planungen zu integrieren oder bei größeren Kampagnen in interdisziplinären Teams zusammenzuarbeiten, macht den Unterschied. Das ist klar ein Erfolgsfaktor.

Maren Lübbecke: Ehrlich, wir befinden uns da auf einer Reise. Wir sind nie fertig und wir können auch nicht sagen, der Newsroom ist jetzt fertig. Wir ziehen dauernd unsere Learnings aus der alltäglichen Zusammenarbeit und entwickeln uns weiter – wie sich die Welt um uns herum entwickelt. Wir müssen uns untereinander mitnehmen und das geschieht auch. Ich denke an das, was entsteht, wenn ein knallharter Performance Marketing Kollege sich mit jemandem aus der Unternehmenskommunikation über Kampagnenziele verständigt. Das sind super spannende Diskussionen, die wir als sehr, sehr positiv erleben.

Thomas Mickeleit: Wie wichtig ist für Eure Arbeit die Ausrichtung auf die Unternehmensziele und wie setzt ihr das praktisch um?


Maren Lübbecke: 
Wir haben konkrete Geschäftsziele und leiten daraus unseren Kommunikationsziele ab. Unsere Besonderheit ist die der zwei Geschäftsmodelle und sechs Marken, die wir über den Newsroom steuern. Dazu zählen die Versicherung in Deutschland, die vier Finanzvertriebe und unsere SwissLife-Stiftung. Schon dieses Konstrukt setzt einen Newsroom voraus, um den Überblick zu behalten, strategisch und damit auch effizient zu arbeiten. Basis dafür ist unsere übergeordnete und die auf die einzelnen Marken runtergebrochene Strategie, die unser Handeln bestimmt. Strategie statt Bauchgefühl – das gibt uns die Lizenz auch mal „Nein“ zu sagen.

Nikola Gardeweg: Der letzte Punkt, das „Nein“-Sagen ist nicht zu unterschätzen. Die vielen Marken, mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen, Akteuren und Stakeholdern haben unstillbare Kommunikationsbedürfnisse. Zu priorisieren und den Fokus zu halten und deshalb eben auch nicht alles, was gewollt ist, zu tun, ist total wichtig.

Thomas Mickeleit: Was hilft euch denn in eurer alltäglichen Arbeit, um den Kurs zu halten?

Nikola Gardeweg: Ganz klar: Meetings und Routinen. Wir halten jeden Tag unsere Morgenlage ab und organisieren täglich „Deep-Dives“, in denen wir im kleinen Team in die Themen reingehen. Diese Formate helfen dabei, Ziele, Themen und Kanäle zu strukturieren. Und natürlich, den Überblick zu behalten. Einmal im Quartal haben wir eine Redaktionskonferenz zur Rückschau auf gelaufene Kampagnen und zur Planung für kommende Themen. Ein Planungstool hilft uns dabei, die Transparenz zu schaffen. Wichtig ist auch: Als Unternehmen sind wir mitten in der Transformation zu agileren Arbeitsweisen. Das betrifft uns auch, z.B. müssen wir in kürzeren Zyklen denken, weil das die Organisation von uns erwartet und es in Anbetracht der schnelllebigen Welt nur so erfolgreich ist. Kurs halten gelingt uns in unserer Rolle als CvDs, indem wir uns kontinuierlich austauschen, offen miteinander sprechen, auch über das, was vielleicht nicht so gut gelaufen ist. Aus dem Feedback lernen wir und werden besser. Und: Die Dinge, die wirklich gut laufen, müssen gefeiert werden..

Thomas Mickeleit: Stichwort „agile Organisation“ Ist das euer organisatorisches Zielbild?  

Maren Lübbecke: Ein konkretes Modell haben wir dabei nicht vor Augen. Wir lassen den Teams, die an Projekten oder in Kampagnen arbeiten, viele Freiheiten. Auch die einzelnen Team-Mitglieder entscheiden für sich, ob es z.B. sinnvoll ist, an einem wöchentlichen Kampagnen-Meeting teilzunehmen. Wer aktuell nichts beizutragen hat oder aus der Teilnahme keinen Nutzen zieht, muss die Zeit auch nicht damit verbringen. Wir vertrauen darauf, dass sich die Kolleginnen und Kollegen selbst organisieren. Das entspricht auch meiner Arbeitsweise. Ich freue mich, wenn ich selbstbestimmt arbeiten kann und nicht alles kontrolliert wird oder in so einem strikten System ist. Also das überlassen wir den Teams selbst.

Thomas Mickeleit: Also das, was du als “Nicht-Modell” bezeichnest, ist eigentlich ein Modell, nämlich so eine Vertrauenskultur zu etablieren, in der eigenverantwortliches Arbeiten in dem Maße möglich ist. Nun hat Nikola schon gesagt: Wir wollen gemeinsam Erfolge feiern über die Dinge, die gut gelaufen sind. Und die spannende Frage ist natürlich: Woran messt ihr denn und wie messt ihr dann, was gut gelaufen ist. Welche Instrumente habt ihr da im Einsatz?

Maren Lübbecke: Für uns steht die Performance der Themen im Mittelpunkt, die wir über alle Kanäle erfassen. Das Reporting ist deshalb auf die Themen selbst ausgerichtet. Wenn wir zum Beispiel eine Kampagne zum Thema Altersvorsorge fahren, dann gucken wir in die einzelnen Kanäle rein. Wie wurde das Thema ausgespielt und welche KPIs sind dann in den Kanälen relevant? Aber im Fokus steht am Ende immer die Performance des Themas. Noch viel wichtiger ist uns, Learnings zu ziehen und konkret zu besprechen, was wir beim nächsten Mal besser machen.  

Thomas Mickeleit: Vielleicht noch einen Satz noch zum Reporting. Welche Reports zieht ihr und wie positioniert Ihr Euch beim Management damit? 

Maren Lübbecke: Wir haben ein Quartalsreporting, das die Kampagnen und die Performance unserer Kanäle im Rückblick betrachtet. Das wird in unserer Redaktionskonferenz vorgestellt und geht verdichtet auch ans Management. Darüber hinaus gibt es eine Jahresbilanz, in der wir Themen und Kampagnen aufbereiten – auch mit Blick auf die mit dem Management vereinbarten Jahresziele.

Thomas Mickeleit: Wagen wir zum Ende noch einen Blick nach vorn. Was ist Euer nächstes Ziel mit dem Newsroom?

Nikola Gardeweg: Wir haben das schon anklingen lassen. Wir sind nicht am Ende. Wir werden auch nie an ein Ende kommen. Der Wandel bleibt unser ständiger Begleiter. Wenn wir jetzt selbstzufrieden sagen würden, ist alles super und so bleibt das jetzt für immer – das wäre zu kurz gedacht. Wir erleben den Newsroom als einen Digitalisierungsmotor. Nicht nur in der Zusammenarbeit unter uns, sondern auch mit unseren externen Stakeholdern. Da haben wir mit Sicherheit noch ganz viel Potenzial, das wir nutzen können. Ich denke dabei zum Beispiel an Möglichkeiten, die sich mit demEinsatz von künstlicher Intelligenz, Stichwort ChatGPT, eröffnen.

Für Maren und mich als CvDs ist vor allem aber wichtig, dass die Leute Bock haben, an den Themen zu arbeiten und Spaß haben. Dafür wollen wir auch Sorge tragen. Was die langfristige Entwicklung unseres Newsrooms angeht, lohnt sich auch die Inspiration von außen. Unser Corporate Newsroom Day letztes Jahr war in dieser Hinsicht ein Highlight. Den Austausch wollen wir weiter vorantreiben und wir haben uns gefreut, dort auch zeigen zu dürfen, hey, wir machen auch ziemlich gute Sachen. 

Thomas Mickeleit: Ihr macht definitiv gute, sogar großartige Sachen. Danke für die Einblicke in Eure Arbeit. Beim Deutschen PR-Tag in Hannover am 27./28. April in Hannover steht Ihr auf der Bühne, für alle, die noch mehr über Euren Newsroom erfahren wollen.



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