Interview Matthias Harenburg: Daten aggregieren – aber bitte ohne ‚Copy & Paste‘

Matthias Harenburg ist Communication Performance Manager bei Siemens Healthineers. In den vergangenen zwei Jahren hat er – gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen – ein kanalübergreifendes, interdisziplinäres und interaktives Kennzahlensystem für die Kommunikationsaktivitäten des im DAX40 gelisteten Medizintechnikkonzerns entwickelt. Insgesamt beschäftigt sich Matthias Harenburg sich seit mehr als 15 Jahren in unterschiedlichen Funktionen mit der Leistungserfassung und Verbesserung von Kommunikationsprozessen.

Das Interview entstand im Rahmen des Webinars “Daten aggregieren – aber bitte ohne ‚Copy& Paste‘”, das am 29. April vom IMWF veranstaltet wurde. Die Fragen stellte Oliver Lönker, Leiter Corporate Publishing und Campaigns bei Siemens Healthineers und Co-Leiter der CommTech Arbeitsgruppe 3 ‘Reporting & KPIs’.

Oliver Lönker: Matthias, warum war dir der Aspekt ‚ohne Copy&Paste‘ im Webinartitel so wichtig?

Matthias Harenburg: Ich habe selbst häufig erlebt, dass Kommunikationsfachleute mit hohem Zeitaufwand Dateien, Tabellen und sonstige Daten von Hand zusammentragen mussten, bevor sie überhaupt Aussagen zur Leistung der Kommunikation treffen konnten. Die Arbeit mit Daten beginnt also mit einer eher negativen Erfahrung.  Aus meiner Sicht ist eine solche manuelle Arbeit mit Daten im Jahr 2022 nicht mehr zeitgemäß.  Sie können durch voll- und teilautomatisierte Möglichkeiten der Datenerfassung ersetzt werden – ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand bei den beteiligten Kolleginnen und Kollegen.

Oliver Lönker: Kannst du kurz skizzieren, wie ihr das Kennzahlensystems bei Siemens Healthineers entwickelt habt?

Matthias Harenburg: Wir wollten ein System aufbauen, mit dessen Hilfe wir Aussagen über die Leistung der Unternehmenskommunikation insgesamt treffen können. Dazu haben wir im ersten Schritt ein Team gebildet, das aus Kolleginnen und Kollegen der unterschiedlichen Fachbereiche unserer Konzernkommunikation besetzt war. Natürlich haben wir nicht bei Null angefangen. In den unterschiedlichen Fachteams findet bereits seit vielen Jahren eine Leistungsmessung in unterschiedlicher Form statt. Was fehlte, war die übergreifende Perspektive. Ich habe daher ein Modell vorgestellt, mit dem ein solches integriertes Reporting möglich ist:  das Wirkungsstufenmodell der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) und des Internationalen Controller Vereins (ICV). Anhand der dort vorgestellten Wirkungsstufen haben wir dann die vorhandenen Kennzahlen und Daten systematisiert und den Stufen zugeordnet. Dies war dann die Blaupause für die technische Umsetzung in einem interaktiven Online-Dashboard, auf das grundsätzlich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter der Konzernkommunikation Zugriff hat.

Oliver Lönker: Welche Lücken in der Datenbasis habt ihr identifiziert?

Matthias Harenburg: Wir hatten mit unseren bereits vorhandenen Messaktivitäten einen sehr starken Fokus auf den jeweiligen Publikations-Kanälen wie Social Media oder das Web. Welche Reichweite erzielen wir? Interagieren die Nutzer mit unseren Inhalten? Diese Kennzahlen sind zwar wichtig, sie liefern aber keine integrierte Sicht auf die Leistungsfähigkeit der Kommunikation. Daher haben wir KPIs ergänzt, die auf den Output abzielen: welche unserer Themen spielen wir in welcher Frequenz? Mit Blick auf unsere Kommunikationsziele wurde uns schnell klar, dass wir in Daten zu unserer Reputation bei unterschiedlichen Stakeholdern in viel höherer Taktung benötigen. Es reicht nicht, einmal im Jahr die Reputation zu messen, wenn alle anderen Daten täglich oder sogar live vorliegen.

Oliver Lönker: Wie wurde das Projekt von den Kolleginnen und Kollegen aufgenommen?

Matthias Harenburg: Überraschend positiv! Die Erstellung eines übergeordneten Kennzahlensystems war eingebettet in ein größeres Change-Projekt hin zu mehr agiler Zusammenarbeit in unserem Content Lab und strategischer Themenfokussierung. In Workshops haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Erwartung klar benannt. „Wir wollen weg vom Bauchgefühl und stärker datengestützt arbeiten.“ Eine sehr gute Voraussetzung also, um Datenanalyse und Performance Controlling stärker in den Arbeitsalltag einzubinden. Performance Measurement oder auch „Communication Controlling“ wird übrigens oft falsch mit dem deutschen Wort „Kontrolle“ übersetzt. Dabei bedeutet das englische „Controlling“ vielmehr „Führen anhand von Kennzahlen“. Und das ist es, worauf es auch uns ankommt. Wir wollen nicht kontrollieren, was Kolleginnen oder Kollegen gut oder weniger gut gemacht haben. Wir wollen die Wertschöpfung unserer Kommunikation erhöhen, indem wir auf Basis solider Daten steuern und aus Fehlern lernen.  

Oliver Lönker: Wo steht ihr heute mit dem Projekt?

Matthias Harenburg: In unser Dashboard fließen heute Daten zu rund 95 Prozent unserer Aktivitäten, wir haben also einen hohen Integrationslevel erreicht. Jetzt geht es darum, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch konsequent mit den Daten arbeiten – wovon wir noch ein Stück weit entfernt sind. Aufgrund der hohen Aggregation der Daten ist immer eine Interpretation im Gesamtkontext notwendig. Die Zahlen sprechen nicht für sich selbst. Wir müssen nun dafür sorgen, dass wir gemeinsam die Ergebnisse besprechen und analysieren, um dann zu validen Rückschlüssen für unsere Arbeit zu gelangen.  

Oliver Lönker: Was würdest du anderen empfehlen, die sich der Aufgabe stellen, ein integriertes Messsystem für die Unternehmenskommunikation zu entwickeln?


Matthias Harenburg: 
Drei Punkte:

  1. Für eine solche Aufgabe benötigt man ein grundlegendes Modell, das Orientierung und Anleitung gibt. Wir haben dafür das Wirkungsstufenmodell der DPRG und des ICV genutzt. Solche Modelle schaffen Akzeptanz und helfen, die Frage nach dem „Warum“ zu beantworten.

  1. Daten sollten nie für sich allein stehen, sondern immer Anlass für Diskussionen sein. Jeder hat eine eigene Perspektive auf die Informationen, die sich hinter den Daten verbergen. Nur in der gemeinsamen Diskussion kann man echte Handlungsempfehlungen herausarbeiten.

  1. Den Change-Aspekt nicht vernachlässigen! Auch wenn es eine große Bereitschaft gibt, datenbasiert zu arbeiten, reicht es nicht, den Menschen ein Dashboard vorzusetzen. Man muss sie immer wieder abholen, erklären, wie die Zusammenhänge (aber auch wo die Grenzen) sind, und Beispiele aufzeigen. Nur so schafft man es, Daten in die Alltagsentscheidungen zu integrieren.



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