Wie KI zeigt, was in der Kommunikation wirklich wirkt

Edzard Bennmann, Leiter Unternehmenskommunikation bei SIGNAL IDUNA Gruppe

Reputationsanalyse neu gedacht: In unserem aktuellen Interview erklärt Edzard Bennmann, Leiter Unternehmenskommunikation der Signal Iduna Gruppe wie KI Millionen von Beiträgen auswertet, Wirkung sichtbar macht und Kommunikationsabteilungen dabei unterstützt, strategischer zu steuern. Ein Einblick aus der Praxis – mit klaren Mehrwerten für alle, die Kommunikation datenbasiert weiterentwickeln wollen.

„KI zeigt uns, was wirklich wirkt“

Die AG CommTech spricht mit Edzard Bennmann darüber, wie Künstliche Intelligenz die Medienanalyse verändert – und warum sie für Kommunikationsabteilungen längst mehr ist als ein Reporting-Werkzeug.


AG CommTech: Edzard, ihr arbeitet seit Jahren mit KI in der Medienanalyse. Warum braucht man das heute?

Edzard Bennmann: Weil klassische Medienbeobachtung an Grenzen stößt. Wenn du als Unternehmen wissen willst, wie du wirklich wahrgenommen wirst, musst du Millionen von Beiträgen aus Earned, Owned und sozialen Medien verstehen – und zwar nicht nur, dass etwas gesagt wird, sondern was es bedeutet. KI hilft uns dabei, Zusammenhänge zu erkennen, die kein Mensch in dieser Geschwindigkeit und Präzision erfassen könnte. Wir sehen sofort, welche Themen auf unsere Reputation einzahlen, welche Risiken entstehen und welche Maßnahmen wirken. Das macht Kommunikation steuerbar statt reaktiv. 

AG CommTech: Ihr arbeitet mit einem Fünf-Dimensionen-Modell für Reputation. Was bringt das in der Praxis?

Edzard Bennmann: Reputation wird oft abstrakt diskutiert. Das Modell – Employer, Vorstand/Management, Produkte & Services, Profitabilität und Nachhaltigkeit – macht sie konkret messbar. Die KI ordnet jede einzelne Aussage im Netz diesen Dimensionen zu. Dadurch verstehst du unmittelbar, wo du gut dastehst, wo du Vertrauen verlierst und welche Faktoren dahinterstehen. Besonders wertvoll ist, dass wir Entwicklungen schnell erkennen: Vor zehn Jahren war Employer Branding für uns kein großes Thema. Heute gehört es zu den stärksten Treibern der Gesamtwahrnehmung. Ohne KI wäre uns diese Verschiebung deutlich später aufgefallen. 

AG CommTech: Wie zuverlässig erkennt die KI solche Dimensionen?

Edzard Bennmann: Sehr zuverlässig – wenn sie richtig trainiert ist. Die Analyse läuft auf Fragment-Ebene, also nicht auf dem gesamten Artikel, sondern auf der konkreten Aussage. Das neuronale Netz erkennt erst, ob tatsächlich unser Unternehmen gemeint ist – man glaubt nicht, wie oft Markenbegriffe etwas völlig anderes meinen können – und ordnet dann präzise zu, welches Thema betroffen ist und welche Tonalität vorliegt. So entsteht ein realistisches Bild der Wahrnehmung, nicht nur eine oberflächliche Stimmungsanalyse. 

AG CommTech: Ihr könnt mit KI sogar die Wirkung eurer Kommunikationsarbeit nachvollziehen. Wie funktioniert das?

Edzard Bennmann: Die besondere Stärke liegt in der Verknüpfung aller Wirkstufen – Input, Output, Outtakes, Outcomes und schließlich Reputation. Wir sehen genau, was wir veröffentlicht haben, wie sich die Sichtbarkeit verändert hat, welche Resonanz es gab und ob all das am Ende unsere Reputation beeinflusst hat. Damit wird Kommunikationsarbeit zu einem steuerbaren Prozess. Die KI erkennt Muster, zeigt erfolgsversprechende Kommunikationswege auf und hilft uns, unsere Maßnahmen laufend zu optimieren. So entsteht ein systematischer Blick nach vorne, nicht nur in den Rückspiegel. 

AG CommTech: Kannst du ein praktisches Beispiel nennen?

Edzard Bennmann: Ein sehr anschauliches Beispiel ist unser Vorstandsvorsitzendenwechsel in diesem Jahr. Wir wollten genau verstehen, wie dieser Übergang draußen wahrgenommen wird. Die KI zeigte uns sofort, dass das Thema einer der stärksten Reputationstreiber war. Wir konnten erkennen, welche Medien besonders relevant waren, wie die Veröffentlichungswellen der Interviews wirkten und welche Tonalität sich durchsetzte. 

Dazu kommt, dass wir bewusst unser Sponsoring des Stadionnamens  – den Signal Iduna Park – von Anfang an, grundsätzlich aus der Analyse ausgeschlossen haben. Dieses Thema ist in so vielen Foren präsent, dass es alles andere überschattet hätte. Das Tool ermöglicht solche Anpassungen, damit Ergebnisse nicht verfälscht werden. 

AG CommTech: Viele haben Sorge, dass KI halluziniert. Wie stellt ihr sicher, dass das nicht passiert?

Edzard Bennmann: Der Schlüssel ist, dass wir auf einem verifizierten Data Lake arbeiten. Der KI-Assistent greift ausschließlich auf geprüfte, echte Daten zu – Earned-, Owned- und Paid-Daten, inklusive Benchmark. Wenn er etwas nicht weiß, sagt er es. Dadurch wird verhindert, dass Inhalte erfunden werden, wie es bei offenen Sprachmodellen vorkommen kann. Für regulierte Branchen wie Versicherungen ist das enorm wichtig. Die KI hilft uns, schneller und präziser zu arbeiten, ohne die Kontrollmechanismen zu verlieren. 

AG CommTech: Wie nutzt du den KI-Assistenten im Arbeitsalltag?

Edzard Bennmann: Sehr pragmatisch. Ich kann ganz konkrete Fragen stellen wie „Welche Medien haben am stärksten auf unsere Reputation eingezahlt?“ oder „Warum hat sich die Nachhaltigkeitsdimension verändert?“ Die KI durchsucht sofort die gesamte Datenbasis, liefert Quellen, Reichweiten, Tonalitäten und Zusammenhänge. Das spart enorm viel Zeit und ermöglicht eine viel analytischere Herangehensweise. Aber: Trotz aller Effizienz bleibt die menschliche Beurteilung entscheidend. KI ist ein Hilfsmittel, kein Ersatz für Erfahrung. Ein Beispiel: Eine unternehmensinterne KI behauptete einmal, wir seien längst CO₂-neutral – was nicht stimmte. Man muss also wach bleiben. 

AG CommTech: Was bedeutet diese Entwicklung für Kommunikationsbereiche insgesamt?

Edzard Bennmann: Dass sich der Anspruch verändert. Reporting ist nicht mehr genug. Mit KI geht es darum, Wirkungen sichtbar zu machen, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und Kommunikation vorausschauend zu steuern. Teams arbeiten schneller, faktenbasierter und strategischer. Und sie haben bessere Argumente – gegenüber Vorstand, Fachbereichen und Budgetverantwortlichen. Wenn du belegen kannst, wie Kommunikation auf Reputation, Employer Branding oder Produktwahrnehmung einzahlt, bekommst du eine andere Rolle im Unternehmen. KI hilft uns, diesen Schritt zu gehen – und er wird immer wichtiger. 

AG CommTech: Dein wichtigstes Learning für Praktiker:innen?

Edzard Bennmann: Starte nicht mit der Technologie, sondern mit der Frage, was du steuern willst. Wenn das klar ist, kann KI ihr volles Potenzial entfalten. Sie hilft uns, besser zu verstehen, was draußen passiert – und gezielter zu beeinflussen, was morgen passiert. Genau darin liegt der große Hebel.



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