Flurfunk oder Fake? Strategien gegen Desinformation in Unternehmen

von Marten Neelsen

Viele Unternehmen vermeiden das Thema Desinformation. Nicht, weil sie es für irrelevant halten, sondern einfach weil es heikel ist. Es riecht nach Politik, nach Polarisierung, nach Reizthema. Und genau das will interne Kommunikation oft vermeiden. Sie versteht sich als verbindend, als moderierend, nicht als meinungsmachend. Die Sorge ist: Wer gesellschaftliche Spannungen anspricht, wird schnell selbst Teil davon.

Doch Schweigen ist keine Lösung, sondern ein Teil des Problems. Ein Pulverfass entschärft sich nicht, indem man den Raum verlässt. Wer Desinformation ignoriert, überlässt das Feld denen, die am lautesten sind: Den Vereinfachern. Den Polarisierern. Denen, die mit Unterstellungen, Dramatisierung oder Halbwahrheiten Aufmerksamkeit binden und Deutungshoheit beanspruchen.

Dabei ist Desinformation längst kein Außenphänomen mehr. Sie wirkt auch im Inneren von Organisationen. Screenshots, die aus dem Kontext gerissen werden, Memes, die über Slack-Kanäle wandern. Durch Flurgespräche, in denen Spekulation zum Fakt wird. Daraus erwachsen Spannungsfelder. Denkt der Kollege wirklich so? Sollte man lieber aufpassen, welches Thema man offen im Meeting oder beim Lunch anspricht? Oder noch schlimmer: Will ich heute mit dieser Person zusammenarbeiten? Was Desinformation so mächtig macht, ist ihr klebriges Halbwissen und dass sie uns alle betrifft. Sie braucht keine Beweisführung. Es reicht nur ein Gefühl oder ein Restzweifel. Diese Gefühle und Eindrücke wandern in das zwischenmenschliche Miteinander unserer Teams. Dennoch tun sich viele Organisationen schwer, aktiv zu werden.

Denn Desinformation ist kein klassischer Krisenfall mit klarer Lage, klaren Absendern, klarer Strategie. Sie ist diffus, emotional und schwer greifbar und genau deshalb so gefährlich. Doch ihre Wirkung ist real: Wenn Informationen ins Wanken geraten, geraten auch Beziehungen, Verantwortlichkeiten, Entscheidungsprozesse in Gefahr. Es ist diese Unsicherheit im Inneren, die Organisationen auf Dauer zermürben kann.

Deshalb braucht es ein klares Selbstverständnis: Welche Verantwortung übernehmen wir für unsere Informationsräume? Wie begegnen wir Zweifeln, bevor sie sich festsetzen? Und wie sorgen wir dafür, dass unsere Kommunikation nicht nur präzise, sondern auch belastbar ist? Wie gehen wir mit Menschen um, die auf falsche Narrative hereingefallen sind?

Vertrauen entsteht dort, wo Klarheit nicht inszeniert, sondern gelebt wird. Wer sich nicht traut, Haltung zu zeigen, wird schnell selbst zum Spielball fremder Erzählungen. Denn Kommunikation passiert immer. Die Frage ist nur, wer sie gestaltet.

Was Kommunikation jedoch auch auszeichnet, ist ein langer Atem und die Vision, Dinge langfristig umzusetzen und zu planen. Zum Beispiel eine entsprechende Strategie: Unternehmen brauchen Räume, in denen Fragen erlaubt sind, bevor sie zu Verdächtigungen werden. In denen Unsicherheit nicht als Schwäche gilt, sondern als Ausgangspunkt für Dialog. Und in denen Führung nicht bedeutet, sofort die richtige Antwort zu kennen, sondern den Mut zu haben, Unklarheit auszuhalten und Orientierung zu geben, wo sie möglich ist.

Nicht nur reden, sondern handeln: Deine Toolbox gegen Desinformation

Damit Desinformation nicht unbemerkt die eigene Organisation schwächt, braucht es klare Schritte. Einige Ansatzpunkte:

  • Frühzeitig hinschauen: Monitoring-Tools und interne Feedbackkanäle nutzen, um Gerüchte oder Falschinformationen schnell zu erkennen.
  • Dialogräume öffnen: Mitarbeitenden sichere Orte geben, um Fragen und Zweifel anzusprechen, bevor sie sich verhärten.
  • Transparenz fördern: Auch wenn nicht alle Antworten sofort vorliegen – besser offen über Unsicherheiten sprechen, als Schweigen zu riskieren.
  • Führung stärken: Führungskräfte befähigen, Orientierung zu geben und mit gutem Beispiel voranzugehen.
  • Vorbereitet sein: Klare Abläufe für den Umgang mit Falschinformationen festlegen und regelmäßig in Szenarien testen.

Diese Punkte können nur ein Anfang sein. Beim CommTech Summit am 26.11. vertiefen wir das Thema in einer Breakout-Session: Welche Strukturen und Tools helfen wirklich – und wie können Kommunikationsteams handlungsfähig bleiben, wenn Fakten ins Wanken geraten?

Der Umgang mit Desinformation ist kein zusätzlicher Agendapunkt. Er ist Teil einer resilienten Kommunikationskultur geworden. Einer Kultur, die Menschen darin stärkt, Informationen einzuordnen, sich selbst zu hinterfragen und Unterschiedlichkeit auszuhalten, ohne den gemeinsamen Boden zu verlieren.

Desinformation gab es schon immer und wird auch bleiben. Die Frage ist nur: Lassen wir zu, dass sie uns leise spaltet? Oder schaffen wir Strukturen, die uns auch in Grauzonen handlungsfähig halten? Wer heute Klarheit schafft, investiert nicht nur in Sicherheit, sondern in Vertrauen und damit in eine gesunde Unternehmenskultur. Und das ist das eigentliche Fundament jeder starken Organisation.


Marten Neelsen ist ein erfahrener Kommunikationsberater mit über einem Jahrzehnt Erfahrung in Unternehmenskommunikation und Medienarbeit. Seine Karriere führte ihn von Start-ups über Agenturen bis hin zu inhabergeführten oder börsengelisteten Unternehmen, wo er erfolgreich strategische Kommunikationskampagnen begleitete, und das Engagement verantwortete. Seine Leidenschaft liegt in der Übersetzung neuer Technologien und Ideen in nachhaltige, ganzheitliche Kommunikationsmaßnahmen, die sowohl Medien als auch Mitarbeitende begeistern. Aktuell plant und realisiert Marten Neelsen innovative Kommunikationskampagnen innerhalb des Brand Teams bei IBM iX und ist nebenher als freier Kommunikationsberater tätig.



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